Gestern Nacht um drei kam mein neuer Hund an. Oder mein zweiter, besser gesagt. Weil einen hab ich schon. Sie wurde nachts von ihrer noch-Besitzerin und deren Freund gebracht nach 10 Stunden Autofahrt. Zur Begrüßung kläffte sie laut und wollte mich angreifen. Sie trug Maulkorb und wurde erfolgreich daran gehindert durchs zurückziehen der noch-Besitzerin. Ich nahm ihr das nicht übel, denn ich hatte nix anderes erwartet.
Bailey kommt nicht wirklich aus schlechten Umständen. Eher aus den Falschen. Geliebt wurde sie immer, keine Frage. Nur wissen wir alle nun mal, dass Liebe oft nicht ausreicht. Sie ist ein reinrassiger Australian Shepard, bisschen klein geraten. Farbe blue merle, 3 Jahre alt und mit Stummelrute, da sie aus einer reinen Arbeitslinie abstammt. Viel Hund ist da tatsächlich noch nicht zu erkennen. Aber ich bin zuversichtlich, warum auch immer.

Erstmal warten Rex, mein erster Hund, und ich darauf, dass die noch-Besitzerin und ihr Anhängsel verschwinden bzw. erstmal aufwachen. Nach Hamburg shoppen. Ohne Hund, endlich mal. Und ich werde die nächsten Tage damit verbringen, Bailey zu zeigen, dass Menschen so viel mehr sein können. Ich hab die noch-Besitzerin gebeten, den Hund mit Geschirr und Schleppleine dran und Maulkorb im Käfig zu lassen. Sie weint eine kleine Träne zum Abschied. Viel Geld hat sie für den Hund als Welpe bezahlt. Jetzt lässt sie ihn als verkommenes Geschenk bei mir. Als ich den Raum betrete, werde ich sehr lange angebellt. Auch springt sie immer wieder gegen ihren Käfig. Rex lasse ich solange bei mir im Schlafzimmer. Als sie sich einigermaßen beruhigt hat, lasse ich sie raus. Es fühlt sich an, als ob mich ein wütender Waschbär angreift. Aber durch den Maulkorb und meine schnellen und starken Hände, hab ich sie schnell im Griff. Dann gehen wir gleich raus und Rex lass ich beiläufig mitlaufen. Sie hat ihn jetzt erst gesehen und will ihn einfach töten. Schnell in Wald. Rex läuft das kurze Stück an der Straße auch so ohne Leine gut und ich hoffe einfach, dass ich Bailey gebändigt kriege, ohne zu doll gleich Druck machen zu müssen. Ich will sie gar nicht korrigieren. Ich glaube nicht, dass sie sich zur Zeit groß falsch verhält. Sie weiß und kennt es nicht besser. Ihr Bellen wirkt eher stoisch, als gefährlich. Ihr kleiner Körper völlig unausgelastet. Sie greift Rex immer wieder an. Aber der lässt sich nicht provozieren und hält schön Abstand. Witzgerweise beschließen sämtliche Fahrradfahrer in Meck Pomm genau zu der Zeit, durch Kukuk zu fahren. Fahrräder sind Baileys Endgegener und der Hauptgrund, warum sie aus ihrem Zuhause weg musste: Ein niedergestreckter Oparennfahrer hat solange geklagt, bis Baileys Vorbesitzer ein Haltungsverbot bekommen haben. Nun zerrt dieser kleine, aber doch recht kräftige Sturkopf mich von links nach rechts die Straße hoch zum Wald. Alle Fahrradfahrer überleben und auch Rex ist immer noch glücklich mit dabei. Er frag sich wahrscheinlich, was das für ein Tier bei mir ist. Dann passiert das Unvorstellbare. Eine Sekunde freu ich mich über den Frieden am Waldweg, bis ich einen Schatten in unsere Richtung rennen sehe. Ich erkenne sofort, was uns blüht und handel instinktiv. Bis heute, kann ich kaum glauben, dass das wirklich passiert ist: Ein Pitbull der Campingplatzbetreiber kam in vollem Karacho hinter uns her gelaufen. Er hat wohl die Fährte der Hündin gerochen, als wir da vorbei sind und war mal wieder unangeleint und unbeaufsichtigt unterwegs. Der Zweite war auch irgendwo, aber griff erstmal nicht an. Der eine kam wie gesagt im Voll Speed angelaufen und sprang gleich auf meine Bailey. Ich hatte genau 2 Sekunden zum Handeln. Mein erster Impuls war, Baileys Leine wegzuschmeißen, damit sie sich in Sicherheit bringen könnte. Aber das kam nun mal aus mehreren Gründen nicht in Frage. Mir blieb nur Kampf, da ich auf keinen Fall hinnehmen würde, dass so etwas an unserem ersten Tag passiert.
Also trat ich dem ersten Pitbull, in seinem Sprung auf Bailey zu, voll in den Bauch und an seinem Schmerzensschrei konnte ich erkennen, dass ich gut getroffen habe. Bailey hatte ich hinter mir verfrachet, auch wenn sie anfangs noch lautstark der Meinung war, sie könne helfen. Der Pitbull drehte sich gleich wieder zu uns und wollte wieder raufspringen. Diesmal hat er voll einen Holzknüppel an den Kopf bekommen, den ich just in diesem Moment aufgehoben habe und der glücklicherweise zu meinen Füßen lag. Er taumelte und überlegte kurz, bevor er nochmal angriff. Ich brüllte und schrie währrend der ganzen Aktion, so laut wie wahrscheinlich noch nie:” Verpiss dich! Hau ab hier! Hilfe” usw.. Das dritte mal, bekam er den Knüppel beim Angriff voll auf den Arsch und dann endlich ließ er ab von uns. Leicht humpelnd, machte er sich mit seinem Kumpel, der alles nur beobachtet hat, von dannen zurück zum Campingplatz. Ich brüllte beiden hinterher und zitterte am ganzen Körper. Ich hatte im Augenwinkel mitbekommen, dass Rex, schlau wie er war, sich gut hinter mir zurück gehalten hat. Bailey hatte ich völlig vergessen. Nun kauerte sie hinter mir an der Leine, fest am Boden gerdückt, den Maulkorb immer noch auf und die Augen voller Angst. Ich war lieb mit ihr und hab sie kurz gestreichelt und erstmal weiter. Schock verarbeiten. Nach 10 Minuten habe ich ihr den Maulkorb abgenommen, weil es absolut ersichtlich war, dass dieser Hund mich nicht angreifen würde. Jedenfalls nicht mehr. Entweder aus Angst vor mir, durch das, was sie gerade gesehen hat. Oder aus Dankbarkeit. Ich weiß es nicht genau. Ich weiß nur noch, dass wir kurze Zeit später das erste Mal einen Schmusemoment hatten, in dem ich ihr versprochen habe, immer so auf sie aufzupassen und, dass sie jetzt für immer bei uns bleibt. Egal, was kommt.
Manchmal ist das alles, was eine kaputte Seele braucht und ich kann nur sagen, hat gut funktioniert bisher bei Bailey.
to be continued…